Montag, 10. November 2025

Rembrandt radiert das Dunkel (2) – „Grablegung Christi“ (1654)

Rembrandt: Grablegung Christi (1654, 1. Zustand); Radierung

Rembrandts Grablegung Christi zählt zu einer Gruppe von vier gleichformatigen und mit ähnlichen Techniken entstandenen Radierungen aus den fünfziger Jahren des 17. Jahrhunderts, die der Künstler möglicherweise zu einer geplanten, aber nie vollständig realisierten Serie von Darstellungen aus dem Leben Christi angefertigt hat. Bei den anderen drei Radierungen handelt es sich um die Darbringung im Tempel, eine Kreuzabnahme bei Fackelschein (siehe meinen Post „Rembrandt radiert das Dunkel“) und Christus in Emmaus (siehe meinen Post „Gehaltene Augen“). Im Bereich der Radierungen gehört die in vier Zuständen ausgeführte Grablegung Christi zweifellos zu Rembrandts weitestgehenden Experimenten, wobei es sogar innerhalb ein- und desselben Zustands mehrere Grade der Einfärbung und eine große Verschiedenheit der Papiersorten zu verzeichnen gibt.

Rembrandt: Darbringung im Tempel (um 1654); Radierung
Rembrandt: Kreuzabnahme Christi bei Fackelschein (1654); Radierung
Rembrandt: Christus in Emmaus (1654); Radierung

Der erste Zustand, der nur aus radierten Linien besteht, zeigt uns einen überwölbten Raum, den eine Grabplatte und zwei Totenköpfe an der Rückwand als Gruft kennzeichnen. Dort wird der Leichnam Jesu zur Ruhe gebettet. Der mit einem weißen Tuch umhüllte Tote liegt ganz im hellen Schein einer unsichtbaren Lichtquelle, die vollständig von der vor Christus stehenden, in Rückenansicht gezeigten Figur verdeckt wird. Aus der Tiefe des offenen Grabes ragt der Kopf eines Mannes hervor, der hier bereitsteht, um den Leichnam zu übernehmen. Am vorderen Bildrand sitzt die ihren Schmerz versunkene Mutter Jesu, während ein bärtiger Alter hinter ihr stumm das Geschehen verfolgt – es dürfte sich um Joseph von Arimathäa handeln, der sein eigenes Grab für die Bestattung Jesu zur Verfügung gestellt hatte (Matthäus 27,57-61). Alle Bildelemente sind, bis hin zu den vorwiegend parallelschraffierten Schattenpartien, klar erkennbar.

Rembrandt: Grablegung Christi (1654, 2. Zustand); Radierung

Radikal verändert zeigt sich die Radierung im zweiten Zustand. Die Platte wurde hier mit einem äußerst dichten Netz von radierten Linien überzogen, wobei auch die Kaltnadel und der Grabstichel zum Einsatz kamen. Das Ergebnis ist eine fast totale Finsternis, in der sich die räumliche Situation nur noch erahnen lässt; die Figuren schimmern kaum sichtbar hervor, am deutlichsten zeichnen sich dabei der Leichnam Christi und dessen Träger ab.

Rembrandt: Grablegung Christi (1654, 3. Zustand); Radierung
Rembrandt: Grablegung Christi (1654, 4. Zustand); Radierung

Dieses nivellierende Dunkel nahm Rembrandt im dritten und vierten Zustand etwas zurück: Die Figuren wurden durch das Abschleifen verschiedener Partien wieder mehr aufgehellt, so etwa die still leidende Mutter Jesu und der sich auf einen Stab stützende Joseph von Arimathäa. Dabei blieb jedoch der Charakter des Nachtstücks erhalten. Auch das Grab und die Architektur sind nun wieder deutlicher zu erkennen: Das Gewölbe gewann seine Form zurück, und die beiden Schädel heben sich gegen die nunmehr fahl schimmernde Rückwand ab, wobei Christi Leib das am hellsten beleuchtete Bildelement bleibt.

 

Literaturhinweise

Bevers, Holm u.a. (Hrsg.): Rembrandt. Ein Virtuose der Druckgraphik. SMB DuMont, Köln und Berlin 2006, S. 146-147;

Hinterding, Erik: Licht. In: Bikker, Jonathan/Weber, Gregor J.M. (Hrsg.), Der späte Rembrandt. Hirmer Verlag, München 2014, S. 177-185;

Schröder, Klaus Albrecht/Bisanz-Prakken, Marian (Hrsg.): Rembrandt. Edition Minerva, Wolfratshausen 2004, S. 268.

 


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