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Pieter Lastman: Bileam und die Eselin (1622); Jerusalem, The Israel Museum Collection |
Besondere Bedeutung hat Lastman aber auch als Lehrmeister
Rembrandts (1606–1669) erlangt. Rembrandt verbrachte 1624/25 einige Monate in dessen Amsterdamer Atelier. Da seine eigentliche Lehrzeit zu diesem Zeitpunkt bereits beendet war und er wenig später (1625/26) eine eigene Werkstatt in Leiden eröffnete, „kann man davon ausgehen, dass er, gegen ein Aufgeld an den berühmten Künstler Lastman, nur mehr eine Art Schliff erfahren wollte, auch um seinen zunächst nur schrittweise erfolgten Einsteg in den Markt mit der Historienmalerei chancenreicher zu verfolgen. Diese Gattung war zu jener Zeit noch wesentlich vielversprechender als etwa die Porträtmalerei“ (Sitt 2006, S. 72). Rembrandt studierte die Werke seines Lehrers eingehend,
kopierte deren Kompositionen und Bildinhalte – und entwickelte sie weiter. Wie
Rembrandt dabei vorging, soll das Beispiel von Bileam und der Eselin verdeutlichen,
einer Geschichte aus 4. Mose 22,21-35.
Der Moabiterkönig Balak lässt den Propheten
Bileam zu sich rufen – er soll die Israeliten verfluchen, die durch sein Gebiet
ziehen. Auf seinem Weg zum König tritt Bileam ein Engel mit einem Schwert
entgegen. Bileams Eselin bleibt daraufhin stehen, der Prophet jedoch, der den
Engel nicht sieht, schlägt das Tier, damit es sich weiterbewegt. Lastmans Breitformat-Gemälde
von 1622 (40,3 x 60,6 cm) zeigt den Moment, in dem der Engel Bileam zum dritten Mal den Weg
versperrt, die Eselin auf die Knie fällt und zu reden beginnt: „Was hab ich dir getan, dass du mich nun dreimal geschlagen hast?“ (4. Mose 22, 28).
Der Engel schwebt rechts im Vordergrund auf einer Wolke heran. Durch die Lichtführung wird deutlich unterschieden zwischen Hauptpersonen und Begleitfiguren: Im verschatteten Mittelgrund sind zwei Knechte dargestellt, während im wiederum helleren Hintergrund die Moabiterfürsten erscheinen, die Bileam holen sollten.
Der Engel schwebt rechts im Vordergrund auf einer Wolke heran. Durch die Lichtführung wird deutlich unterschieden zwischen Hauptpersonen und Begleitfiguren: Im verschatteten Mittelgrund sind zwei Knechte dargestellt, während im wiederum helleren Hintergrund die Moabiterfürsten erscheinen, die Bileam holen sollten.
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Rembrandt: Bileam und die Eselin (1626); Paris, Musée Cognac-Jay |
Und dann sind da noch Bileams Augen. Anders als
Lastman hat Rembrandt die Augen des Propheten nämlich als dunkle Höhlen
gemalt – nur nur um dessen rasende Wut auf die störrische Eselin anzuzeigen, sondern um so seine „geistige Blindheit“ auch optisch hervortreten zu lassen.
Denn dies ist schließlich der Augenblick, bevor Gott Bileams Augen öffnet, sodass „er den Engel des Herrn auf seinem Wege stehen sah mit einem bloßen Schwert in seiner Hand, und er neigte sich und fiel nieder auf sein Angesicht“ (4. Mose 22,31).
Das großblättrige Pflanzenarrangement auf Rembrandts Gemälde in der rechten vorderen Bildecke ist übrigens ebenfalls ein Lastman-Zitat – es findet sich u.a. auf dessen Gemälde Die Verstoßung der Hagar von 1612 (Hamburger Kunsthalle).
Jürgen Müller hat herausgearbeitet, dass Rembrandt für die Gestalt des Bileam auf die berühmte antike Skulptur des Laokoon (siehe meinen Post „Das ultimative antike Meisterwerk“) zurückgreift und dabei auch einen Sinnzusammenhang herstellt: „Wie schon der Priester Laokoon von einer göttlichen Macht bestraft wurde, so ergeht es auch Bileam“ (Müller 2007, S. 130).
Das großblättrige Pflanzenarrangement auf Rembrandts Gemälde in der rechten vorderen Bildecke ist übrigens ebenfalls ein Lastman-Zitat – es findet sich u.a. auf dessen Gemälde Die Verstoßung der Hagar von 1612 (Hamburger Kunsthalle).
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Pieter Lastman: Die Verstoßung der Hagar (1612); Hamburg, Kunsthalle |
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Laokoon-Gruppe (aufgefunden 1506); Rom, Vatikanische Museen |
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Pieter Lastman: Die Täufe des Kämmerers (1608); Berlin, Gemäldegalerie |
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Pieter Lastman: Die Taufe des Kämmerers (um 1612); Paris, Collection Frits Lugt |
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Rembrandt: Die Taufe des Kämmerers (1626); Utrecht, Catharijneconvent |
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Pieter Lastman: Die Taufe des Kämmerers (1620); München, Alte Pinakothek |
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Pieter Lastman: Die Taufe des Kämmerers (1623); Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle |
Im Zuge der Reformation, die von den sieben Sakramenten der römisch-katholischen Kirche nur noch die Taufe und das Abendmahl anerkannte, gewann die biblische Erzählung von der Taufe des Kämmerers stark an Bedeutung. Anders als in der katholischen Kirche, die die Taufe als Voraussetzung für das zukünftige Heil betrachtete, galt sie bei den Protestanten lediglich als Bestätigung der göttlichen Heilszusage; der Schweizer Reformator Johannes Calvin (1509–1564) betonte in seinem Kommentar zur Apostelgeschichte, dass vor dem Akt der Taufe der Glaube stehen müsse. Der Glaube wiederum erwächst, wie es im Römerbrief des Paulus heißt (10,17), aus der Verkündigung von Gottes Wort und dem Hören auf dessen Botschaft – genau dies ist auch in der Bekehrungsgeschichte des Kämmerers der Fall. Rembrandt schließt sich dieser Sicht an, wenn er das Buch deutlich hervorhebt und das unmittelbare Aufeinanderfolgen von Lesung und Taufe suggeriert.
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Rembrandt: Die Taufe des Kämmerers (1641); Radierung |
Literaturhinweise
Giltaij, Jeroen: Rembrandt Rembrandt. Ausstellungskatalog Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt am Main 2003. Edition Minerva, Wolfratshausen 2003, S. 30-33;
Müller, Jürgen: „Een antieckse Laechon“. Ein Beitrag zu Rembrandts ironischer Antikenrezeption. In: Horst Bredekamp u.a. (Hrsg.), Dissimulazione onesta oder Die ehrliche Verstellung. Von der Weisheit der versteckten Beunruhigung in Wort, Bild und Tat. Philo Fine Arts, Hamburg 2007, S. 105-130
Pächt, Otto: Rembrandt. Prestel-Verlag, München 2005, S. 33-34;
Schama, Simon: Rembrandts Augen. Siedler Verlag, Berlin 2000, S. 236-238;
Sitt, Martina (Hrsg.): Pieter Lastman – In
Rembrandts Schatten? Hirmer Verlag, München 2006, S. 56-59 und 64;
Wetering, Ernst van de/Schnackenburg, Bernhard (Hrsg.): Der junge Rembrandt. Rätsel um seine Anfänge. Edition Minerva, Wolfratshausen
2001. (zuletzt bearbeitet am 14. September 2025)
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