Agnolo Bronzino: Bildnis einer Dame in Rot (um 1533); Frankfurt, Städel Museum (für die Großansicht einfach anklicken) |
Der italienische Maler Agnolo Bronzino (1503–1572) gehört mit Jacopo da Pontormo (1495–1557), Rosso Fiorentino (1495–1540) und Giorgio Vasari (1511–1574) zu den wichtigsten Künstlern des Florentiner Manierismus. Von Bronzino habe ich in meinem Blog bereits das Bildnis einer Dame in Grün aus Windsor Castle vorgestellt. Nun soll noch sein Bildnis einer Dame in Rot hinzukommen, das zu den Prunkstücken des Städel in Frankfurt zählt. Charakteristisch für diese beiden Bildnisse wie überhaupt für das Porträt des Manierismus (also etwa der Zeitspanne zwischen 1520 und 1600) sind die verzerrten Körperproportionen der Dargestellten: Die Gliedmaßen, insbesondere Hals und Finger, werden überlängt, während der Kopf verkleinert erscheint. Haupt und Oberkörper sind zudem oft in unterschiedliche Richtungen gedreht.
Vor uns sitzt eine vornehme junge Dame, als Kniefigur und nahezu in Lebensgröße wiedergegeben. Ihre Beine weisen nach links, der Oberkörper dagegen dreht sich diagonal dem Betrachter zu. Das Gesicht ist dabei ganz leicht aus der Frontalansicht nach links gewendet; der direkte Blick wirkt distanziert. Die Rechte auf den Oberschenkel, die Linke entspannt auf die nahezu bildparallele Armlehne des Stuhles gelegt, umfangen ihre Arme schützend ein weiß und rotbraun gezeichnetes Schoßhündchen, das uns mit leicht erhobener Pfote gespannt beobachtet. Bei dem Stuhl handelt es sich um einen sogenannten Savonarola-Sessel, der vor einer Pilaster-gerahmten Nische mit einer davor befindlichen, nur rechts im Bild erkennbaren Steinbank platziert ist.
Die malerisch sehr sorgfältig wiedergegeben Details unterstreichen die durch das elegante Ambiente und die kontrollierte Haltung angedeutete edle Herkunft der jungen Dame. Ihr braunes, in der Mitte gescheiteltes Haupthaar liegt eng am Kopf an und ist hinten zu einem Zopf geflochten. Dieser wird, in ein goldfarben-braunes Netz gefasst, kranzartig um das Haupt geführt und am Scheitelpunkt von einer goldenen Agraffe mit Schmuckrosette zusammengehalten. Die Porträtierte trägt ein zinnoberrotes, unterhalb des Busens gegürtetes Kleid, aus dessen voluminösen Puffärmeln in Höhe des Ellbogens lange, eng anliegende Unterärmel aus dunkelgrünem Samt hervortreten. Der Halsausschnitt des Kleides zeigt ein fein gefältetes weißes Hemd, dessen hochstehender, aus Damast gewebter Kragen mit zwei Goldknöpfen eng am Hals geschlossen ist.
Um den Hals hängt eine schwere Goldkette, deren leicht ovale Kettenglieder in Intervallen durch zwei sich gegenläufig überkreuzende Bogensegmente unterbrochen werden. Unten münden sie in einen kleinen Anhänger mit einer nicht näher identifizierbaren Darstellung. An beiden Händen ist je ein Goldring zu erkennen, wobei derjenige am rechten Ringfinger einen kleinen Rubin aufweist. Um das rechte Handgelenk ist eine Kette aus schwarzen Jetperlen geschlungen, die sich über die Oberschenkel ausbreitet und in einen Einzelstrang mit einer aus roter und gelber Seide gefertigten Quaste mündet.
Auch der Savonarola-Sessel ist in seinem Material genau beschrieben: Das für Zarge und Armlehne verwendete braune Holz lässt eine detaillierte Maserung erkennen, seine präzis definierte Form und Härte kontrastiert wirkungsvoll mit dem weichen flaschengrünen Stoff, aus dem die Sitzfläche sowie die hier und an der Lehne angebrachten Fransen gearbeitet sind. Dass es sich um ein kostbares Möbelstück handelt, unterstreichen verschiedene goldfarbene Bronzeappliken, darunter eine groteske Maske und ein Griff aus zwei um eine Kugel gruppierten Delphinen an der Außenseite der Armlehne. Hinzu kommen zwei Kugeln an den Enden der Lehnen, deren vordere die sich spiegelnden Zeige- und Mittelfinger der Porträtierten exakt wiedergibt. Zwei im Hintergrund rechts auf der Steinbank abgelegte, in Pergament gebundene Bücher spielen auf die literarischen Interessen der jungen Frau an.
Nochmals erwähnt werden soll die wohl halbrund zu denkende Mauernische hinter der Dargestellten: Die hell von links beleuchtete – rechte – Gesichtshälfte der jungen Frau steht vor der dunklen, die verschattete Gesichtshälfte vor der ausgeleuchteten Nischenhälfte, wobei auch die durch reflektiertes Licht aufgehellten Halbschatten differenziert beobachtet sind. Darüber hinaus ist der konkaven Nischenform „die konvexe Form der Stirn und des Oberkörpers gegenübergestellt“ (Hiller von Gaertringen 2004, S. 483).Leonardo da Vinci: Mona Lisa (1503-1506); Paris Louvre |
Kompositorisch ist die Frankfurter Dame in Rot in ein etwa gleichseitiges Dreieck eingefügt, dessen Basis von dem waagrecht geführten Unterarm der jungen Frau gebildet wird. Als Vorbild hierfür hat Rudolf Hiller von Gaertringen auf Leonardo da Vincis Mona Lisa verwiesen, und zwar hinsichtlich des bildparallel gestellten Sessels, des horizontal auf dessen Lehne ruhenden linken Unterarms sowie des auf der Mittelachse liegenden linken Auges. Durch die Dreieckskomposition gelinge es Bronzino, „ein ruhevolles Gleichgewicht herzustellen und der Figur innere Stabilität, ja sogar eine hieratische Qualität zu verleihen“ (Hiller von Gaertringen 2004, S. 489). Gleichzeitig setzt sich Bronzino sich aber auch deutlich von Porträts der Hochrenaissance ab, insbesondere durch die spannungsvolle Farbwahl, bei der kräftiges Zinnoberrot mit dem Blaugrün der Ärmel und dem Flaschengrün des Sesselbezuges kontrastiert.
Die Präsenz des kleinen Hundes verleiht dem Bild eine geradezu interaktive Komponente – ob er wohl Bellen oder gar beißen würde, wenn sich der Betrachter noch weiter nähert? Bestimmend für die Wirkung des Porträts bleibt jedoch die distanzierte Attitüde der jungen Dame, ihre kühle Eleganz, die durch ihren Gesichtsausdruck, die extrem aufrechte Haltung, die strenge Frisur, ihre Standesinsignien in Form von Schmuck und kostbarer Kleidung sowie die als Barriere fungierende Armlehne hervorgerufen wird.
Agnolo Bronzino: Bildnis der Lucretia Panciatichi (um 1545); Florenz, Uffizien (für die Großansicht einfach anklicken) |
Mit der Dame in Rot vergleichbar ist Bronzinos Porträt der Lucrezia Panciatichi aus den Uffizien. Auch hier ist eine junge Frau als von links beleuchtete Figur vor einer – allerdings verschatteten – Nische dargestellt. Sie blickt mit nach links gewendetem Oberkörper gerade aus dem Bild, wobei ihr Kopf wie bei Dame in Rot etwas aus der Frontalansicht gedreht ist. Ihr linker Arm ruht auf der Lehne des diagonal gestellten Sessels, die rechte Hand liegt auf den Seiten eines geöffneten Buches auf ihrem Oberschenkel. Die Frisur weist ebenfalls bis in den Aufbau reichende Übereinstimmungen auf, wobei dem mittig gescheitelten, eng am Kopf geführten Haupthaar ein geflochtener Haarkranz aufliegt, der seinerseits durch ein Diadem hervorgehoben wird. Verschiedene Schmuckstücke, darunter einige Ketten und ein Fingerring, sind präzise wiedergegeben. Die Porträtierte trägt ebenfalls ein rotes, gegürtetes Gewand mit gerafften Puffärmeln, aus dem eng anliegende Unterärmel hervorkommen, wobei weißlich aufscheinende Lichter Seidenstoff imitieren. Allerdings erhält das Porträt durch die Farbwahl gegenüber dem Frankfurter Bildnis eine gefälligere Note, da an die Stelle des Zinnoberrot ein zurückgenommenes Weinrot tritt und so der beschriebene Rot-Grün-Kontrast aufgegeben wird.
Die Zuschreibung des Frankfurter Damenporträts schwankt seit seiner ersten Erwähnung vor allem zwischen zwei Florentiner Malern, die gut miteinander bekannt waren: einerseits Pontormo und andererseits seinem Schüler Bronzino. Die beiden Künstler pflegten einen ungemein regen Austausch, der im zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts in Form eines Schüler-Lehrer-Verhältnisses begann und sich ab den 1530er Jahren in Form künstlerischer Zusammenarbeit und persönlicher Freundschaft fortsetzte.
Bronzino zählt, auch wenn sein Aktionsradius sich auf Florenz und das Großherzogtum Toskana beschränkte, neben dem europaweit agierenden Tizian (um 1488–1576) zu den führenden italienischen Porträtmalern des Cinquecento. 1530 wurde die Republik Florenz elf Monate lang von einem kaiserlich-päpstlichen Heer belagert, denn Karl V. hatte dem Medici-Papst Clemens versprochen, die Herrschaft seiner Familie in deren Heimatstadt wiederherzustellen. Die Florentiner mussten sich schließlich, durch Hungersnöte und Epidemien gezwungen, dem kaiserlichen Willen beugen: Allesandro de‘ Medici (1510–1537) wurde neuer Herzog von Florenz. Nach Ende der Belagerung ging Bronzino 1530 für zwei Jahre nach Pesaro an den Hof des Herzogs von Urbino, Francesco Maria I. della Rovere. Dort entwickelte er seinen stupenden, bis heute bewunderungswürdigen Detailrealismus, der sich durch ein beinahe obsessives Interesse für die Oberflächen-Texturen unterschiedlichster Stoffe und Materialien auszeichnet.
Literaturhinweise
Hiller von Gaertringen, Rudolf: Italienische Gemälde im Städel 1300 – 1550. Toskana und Umbrien, Philipp von Zabern, Mainz 2004, S. 479-494;
Krystof, Doris: Jacopo Carrucci, genannt Pontormo. 1494–1557. Könemann Verlagsgesellschaft, Köln 1998, S. 107.
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