Gianlorenzo Bernini: Hl. Laurentius (1617), Florenz, Slg. Contini Bonacossi |
Zu den beiden ersten gesicherten Skulpturen des
Barock-Bildhauers Gianlorenzo Bernini (1598–1680) gehören die Figuren des Hl. Sebastian und des Hl. Laurentius, zwei der wichtigsten
frühchristlichen Märtyrer. Die beiden Statuen wurden unmittelbar nacheinander
im Verlauf des Jahres 1617 ausgeführt und sind stilistisch eng miteinander verbunden.
Den Hl. Sebastian habe ich früher
schon eingehender betrachtet (siehe meinen Post „Bernini will der Beste sein“),
heute soll es um den Hl. Laurentius
gehen.
Gianlorenzo Bernini: Hl. Sebastian (1617); Madrid, Museo Thyssen-Bornemisza |
Der aus
Spanien stammende Laurentius war – so die Legende – trotz seines jugendlichen Alters von Papst
Sixtus II. zu einem von sieben Diakonen der christlichen Gemeinde in Rom ernannt
worden. Als der Papst im Zuge der Christenverfolgungen unter Kaiser Valerian im
Jahr 258 zum Tod durch Enthauptung verurteilt wurde, begleitete Laurentius ihn
zur Richtstätte, von der Sehnsucht erfüllt, Sixtus im Martyrium zu folgen.
Dieser tröstete den jungen Mann mit der Prophezeiung, er werde ihm binnen dreier
Tage nachfolgen. Als Diakon oblag Laurentius auch die Verwaltung der
Kirchenschätze. So forderte ihn der kaiserliche Präfekt auf, diese auszuliefern und
dem Kaiser zu geben, was des Kaisers sei. Laurentius betonte den unermesslichen
Reichtum der Kirche und willigte gehorsam ein, die Schätze zu übergeben, erbat
jedoch dreitägigen Aufschub, um zunächst eine Aufstellung des Besitzes
vorzunehmen – was ihm gewährt wurde. Sogleich rief er Arme und Kranke, Bettler
und Bedürftige, Witwen und Waisen in der Stadt zusammen – und präsentierte sie
dem Präfekten als den „wahren Schatz der Kirche“. Der ließ ihn daraufhin
mehrfach foltern und dann auf einem glühenden Eisenrost hinrichten. Deswegen
ist der Rost das Attribut dieses Märtyrers.
Berninis Laurentius
liegt mit seiner linken Seite über lodernden Flammen auf einem
achteckigen Rost. Sein Oberkörper ist halb aufgerichtet und dem Betrachter
zugewandt, der linke Unterarm auf das glühende Eisen gestützt, das rechte Bein
angewinkelt und leicht angehoben, das linke Bein durch eine Schelle auf dem Rost fixiert. Laurentius, bedeckt einzig von einem um die Hüfte geschlungenen Tuch, hat den Kopf in den Nacken
geworfen, die Augen sind verklärt gen Himmel gerichtet. Festgehalten ist der
Höhepunkt des Martyriums, als Laurentius der Legende nach den Blick erhebt und
Christus anruft mit der Bitte, das heidnische Rom nun endgültig in ein
christliches Rom zu verwandeln. Der Präfekt und seine Schergen sind
ausgeblendet, allein das Feuer unter ihm veranschaulicht die Torturen.
„Laurentius hat die Qualen des irdischen Dasins nahezu überwunden, ist in ein
Zwiegespräch mit dem Herrn eingetreten“, wobei in seinem Körper „zurücksinkende
und emporstrebende Kräfte miteinander zu ringen scheinen“ (Schütze 2007, S.
197). Das Antlitz des Laurentius ist aber
keineswegs von Schmerz verzerrt, sondern geradezu verklärt, und die Flammen
haben seinen Körper an keiner Stelle sichtbar angegriffen.
Der achteckige Rost wiederum verweist auf die Form vieler Taufkapellen und -becken. Auf diese Weise wird das Martyrium des Laurentius mit der „Taufe in den Tod“ gleichgesetzt, die zu Auferstehung und neuem Leben führt. Paulus erläutert diese Zusammenhänge im Römerbrief: „So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln. Denn wenn wir mit ihm verbunden und ihm gleich geworden sind in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein“ (Römer 6,4-5; LUT).
Der achteckige Rost wiederum verweist auf die Form vieler Taufkapellen und -becken. Auf diese Weise wird das Martyrium des Laurentius mit der „Taufe in den Tod“ gleichgesetzt, die zu Auferstehung und neuem Leben führt. Paulus erläutert diese Zusammenhänge im Römerbrief: „So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln. Denn wenn wir mit ihm verbunden und ihm gleich geworden sind in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein“ (Römer 6,4-5; LUT).
Agnolo Bronzino: Martyrium des Laurentius (1569); Florenz, San Lorenzo (für die Großansicht einfach anklicken) |
Der Hl.
Laurentius ist deutlich auf eine Ansicht von vorne konzipiert. Trotzdem hat
Bernini die Rückseite vollständig ausgearbeitet, und einzelne Motive wie die
Tonsur oder die an den Rost gekettete rechte Hand zeigen sich dem Betrachter
erst, wenn er die Figur umschreitet. Die Figur ist in ihrem Bewegungsmotiv eng
verwandt mit dem Laurentius aus Agnolo Bronzinos großem Fresko im linken
Seitenschiff von San Lorenzo (Florenz); zum anderen zeigt Berninis Skulptur
deutlich, wie intensiv er sich mit Michelangelos Arbeiten auseinandergesetzt
hat: „In der Virtuosität der Marmorbearbeitung, der anatomischen Durchbildung
und dem sinnlichen Reiz der Oberflächen wird der Betrachter unmittelbar auf die
frühe Pietà in St. Peter verwiesen“
(Schütze 2015, S. 49).
Michelangelo: Modell für einen Flussgott (um 1524); Florenz, Casa Buonarotti |
Sterbender Gallier, römische Marmorkopie eines hellenistischen Bronzeoriginals; Rom, Musei Capitolini |
Michelangelo: Die Erschaffung Adams (um 1511); Rom, Sixtinische Kapelle |
Die Auseinandersetzung mit der Malerei gehörte
für Bernini zum künstlerischen Wettstreit um den Vorrang der Gattungen und
ihrer besonderen Darstellungsmöglichkeiten. „Die Grenzen der eigenen Gattung zu
überschreiten und darin ihren Vorrang zu behaupten ist zweifellos ein Anliegen
der Figur Berninis“ (Schütze 2007, S. 202). So galt Feuer geradezu als
Paradebeispiel eines der Malerei vorbehaltenen Motivs – Bernini widerlegt diese
Anschauung in seiner virtuosen Darstellung der über Kohlen und Holzscheiten
züngelnden Flammen. Aber Bernini wollte seine Meisterschaft nicht nur im
Wettstreit mit anderen Kunstgattungen beweisen, sondern sich auch dem direkten
Vergleich mit berühmten antiken Vorbildern stellen (so geschehen z. B. bei
seiner Skulptur Apoll und Daphne). Vor
allem aber trat er gegen den von ihm selbst verehrten Michelangelo an, um seine
Ebenbürtigkeit, nein, seine Überlegenheit zu demonstrieren. Und das gelang ihm
auch: Nach dem Hl. Laurentius und dem
Hl. Sebastian schuf er vier
Skulpturen für seinen Mäzen Kardinal Scipione Borghese: Aeneas,
Anchises und Ascanius auf der Flucht aus Troja (1618/19),
Der Raub der Proserpina (1621/22), David
(1623/24) und Apoll und Daphne (1622-1625).
Danach galt er nicht nur als der führende Bildhauer Roms, sondern als „der
Michelangelo unseres Jahrhunderts“.
Literaturhinweise
Kauffmann, Hans: Giovanni Lorenzo Bernini. Die
figürlichen Kompositionen. Gebr. Mann Verlag, Berlin 1970, S. 19-24;
Preimesberger, Rudolf: Themes from Art Theory in
the Early Works of Bernini. In: Irving Lavin (Hrsg.), Gianlorenzo Bernini. New
Aspects of His Art and Thought. The Pennsylviana State University Press,
University Park and London 1985, S. 1-24;
Schmitt, Berthold: Giovanni Lorenzo Bernini. Figur und Raum. Röhrig Universitätsverlag, St. Ingbert 1997, S. 27-33;
Schmitt, Berthold: Giovanni Lorenzo Bernini. Figur und Raum. Röhrig Universitätsverlag, St. Ingbert 1997, S. 27-33;
Scholten, Frits: Malerische Skulptur. In: Gudrun Swoboda/Stefan Weppelmann, Caravaggio
& Bernini. Entdeckung der Gefühle. Hannibal Publishing, Veurne 2019, S. 30-45;
Schulze, Sabine: Zwischen Innovation und
Tradition. Berninis Apoll und Daphne. In: Städel-Jahrbuch 14 (1993), S.
231-250;
Schütze, Sebastian: Kardinal Maffeo Barberini, später
Papst Urban VIII., und die Entstehung des römischen Hochbarock. Hirmer Verlag,
München 2007, S. 195-209 .
Schütze, Sebastian: Arbeit am Mythos: Annibale
Carracci, Caravaggio, Rubens und Bernini im Dialog mit Michelangelo. In: Kunst-
und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.), Der Göttliche.
Hommage an Michelangelo. Hirmer Verlag, München 2015, S. 34-55;
LUT = Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
LUT = Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
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