Rogier van der Weyden: Bildnis einer jungen Frau mit Flügelhaube (um 1435); Berlin, Gemäldegalerie (für die Großansicht einfach anklicken) |
Jan van Eyck: Bildnis eines Mannes mit rotem Turban (1433); London, National Gallery (für die Großansicht einfach anklicken) |
Das hintere Auge müsste eigentlich verkürzt wiedergegeben werden, liegt aber bildparallel |
Rogier präsentiert die junge Frau als Halbfigur; ihr Gesicht wird von einer doppellagigen flämischen Flügelhaube aus gestärktem weißen Leinen gerahmt, die kunstvoll mit goldenen Nadeln aufgesteckt ist. Der Stoff lässt die dem damaligen Schönheitsideal entsprechende hohe Stirn der jungen Frau durchscheinen. Das Material der Haube ist feingewebt, aber nicht luxuriös, der Stirnschleier beispielsweise nicht aus hauchzarter Gaze gefertigt wie bei einem Porträt der Isabella von Portugal aus Rogiers Werkstatt. Unter dem Kinn ist zudem ein gefälteltes Tuch durchgezogen. „Die Querfalten in den Haubenflügeln führen die nach oben weisenden Mundwinkel verlängernd weiter. So ist es schließlich das ganze Porträt, das lächelt“ (Thürlemann 2006, S. 45).
Das schlichte Gewand ist aus braungrauem, grob gewebtem Wollstoff gefertigt und mit einem dunklen Pelz besetzt. Über den Brüsten legt es sich in enge, parallele Falten und an den Ärmeln in breite, unregelmäßige Knitterfalten. Die junge Frau trägt keine kostbaren Schmuckstücke, aber doch mindestens fünf Goldringe mit Steinen und Perlen. Ihre Hände sind sittsam übereinandergelegt und ruhen auf einer imaginären Brüstung, die mit dem unteren Abschluss des Bildes zusammenfällt. „Die Haltung der Hände macht den Bilderrahmen zu einem Fensterrahmen. Dadurch wird die Differenz zwischen dem dargestellten Raum und dem Raum des Betrachters überspielt“ (Thürlemann 2006, S. 45/46). Ringe, Flügelhaube und Kinntuch verweisen darauf, dass wir eine verheiratete Frau vor uns haben. Durch ihre nach rechts gewandte Haltung kann es sich aber nicht um ein Gegenstück zu einem Männerbildnis handeln, denn die rechte Seite war bei solchen Pendants traditionell dem Mann vorbehalten.
Jan van Eyck: Bildnis der Margarethe van Eyck (1439); Brügge, Groeningemuseum (für die Großansicht einfach anklicken) |
Petrus Christus: Bildnis eines jungen Mädchens (um 1470); Berlin, Gemäldegalerie (für die Großansicht einfach anklicken) |
Wie wichtig das gemalte Bildnis bereits in der Epoche Rogiers geworden war, zeigt die Tatsache, dass weit über die Hälfte seiner erhaltenen Werke entweder autonome Porträts sind oder biblische Szenen, die eines oder mehrere Porträts von Auftraggebern oder Zeitgenossen enthalten. Rogier war offenbar vor allem beim burgundischen Adel als Porträtist beliebt: Alle identifizierbaren Bildnisse von ihm stellen Adelige dar oder Personen, die einen engen Kontakt zum burgundischen Hof hatten.
Rogier van der Weyden: Bildnis Karls des Kühnen (um 1460); Berlin, Gemäldegalerie (für die Großansicht einfach anklicken) |
Literaturhinweise
De Vos, Dirk: Rogier van der Weyden. Das Gesamtwerk. Hirmer Verlag, München 1999, S. 192-193;
Kemperdick, Stephan: Bildnis einer jungen Frau. In: Stephan Kemperdick/Jochen Sander (Hrsg.), Der Meister von Flémalle und Rogier van der Weyden. Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2008, S. 277-280;
Thürlemann, Felix: Rogier van der Weyden. Leben und Werk. Verlag C.H. Beck, München 2006, S. 43-46.
(zuletzt bearbeitet am 25. Oktober 2020)
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