Montag, 17. März 2025

Albrecht Dürer malt seine Eltern

Albrecht Dürer: Albrecht Dürer d.Ä. (1490); Florenz, Uffizien

Dieses Bildnis zeigt den 63-jährigen Goldschmied Albrecht Dürer d.Ä. (1427–1502). Gemalt hat es sein 19-jähriger Sohn Albrecht Dürer, der gerade seine Lehre bei dem Nürnberger Maler Michael Wolgemut (1434–1519) beendet hatte. Es bildete einst den rechten Flügel eines Diptychons, dessen linke Tafel das Porträt von Dürers Mutter Barbara Holper (1452–1514) zeigte. Dürer hat seinen Vater vor grünem Hintergrund in Dreiviertelansicht dargestellt. Er trägt eine Pelzmütze und über einem schwarzen Hemd eine rostbraune Schaube mit schwarzem Pelzfutter; in den Händen hält er einen Rosenkranz. Im farblich abgestimmten Kontrast ist Barbara Holper auf dem linken Flügel in ein dunkelrotes Kleid und einen mattweißen Kopfputz gekleidet – auch sie hält einen Rosenkranz in den Händen.

Albrecht Dürer: Barbara Dürer, geb., Holper (um 1490);
Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum

Komposition, Figurenausschnitt, Hintergrundgestaltung und Farbwahl der Elternbildnisse stehen ganz im Einklang mit den Konventionen der zeitgenössischen Porträtmalerei. Die Mehrzahl der im süddeutschen Raum in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstandenen Vorgängerwerke zeigt die Dargestellten vor einfarbigem Hintergrund, als Brustbilder in Dreiviertelansicht, häufig mit sichtbaren Armen und Händen. Auch lässt sich bei Bildnissen von Männern reiferen Alters bereits vor 1490 ein ausgeprägtes Bestreben beobachten, die Gesichtszüge der Modelle mittels akribischer Wiedergabe physiognomischer Details wie etwa kleinster Fältchen und Härchen möglichst naturnah und stark individualisiert wiederzugeben. Besonders prägnant und qualitätvoll macht dies das um 1456 von Hans Pleydenwurff (um 1420–1472) gemalte Porträt des Bamberger Domherrn Georg Graf von Löwenstein deutlich, dessen Verismus die niederländische Prägung des Malers verrät. Es gilt als das bedeutendste und eines der frühsten Beispiele für die Gattung des selbstständigen Tafelbild-Porträts, die sich um die Jahrhundertmitte in der deutschen Malerei zu etablieren begann.

Hans Pleydenwurff: Georg Graf von Löwenstein (um 1456);
Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum

Neben der Orientierung an solchen Vorgängerwerken bildete das in Silberstift ausgeführte Selbstbildnis Albrecht Dürer d.Ä. die unmittelbare Voraussetzung für das Vaterporträt Dürers. Das Florentiner Gemälde weist in den Gesichtszügen eine frappante Ähnlichkeit mit der Zeichnung auf und zeigt wie das Vorbild das Bemühen um eine präzise Wiedergabe der Fältchen um die Augen des Porträtierten, eine sorgfältige Modellierung der Tränensäcke und der erschlafften Haut am Kinn sowie die akribische Ausführung der einzelnen Bartstoppeln und Haare. wurden mit Hilfe von aufgesetzten Schraffuren wiedergegeben – der Künstler ging also mit der Farbe eher zeichnerisch als malerisch um.

Albrecht Dürer d.Ä.: Selbstbildnis (1486); Wien, Albertina

Barbara Holper war die Tochter des Goldschmieds Hieronymus Holper in Nürnberg, in dessen Werkstatt Albrecht Dürer d.Ä. 1455 eintrat. Nach langen Jahren als Geselle erhielt er 1467 die Tochter seines Meisters zur Frau, die ihm insgesamt 18 Kinder gebar, von denen Albrecht d.J. das dritte war. Nach dem Tod ihres Mannes verarmt, wurde Barbara 1504 von ihrem berühmten Sohn aufgenommen. Bekannt ist heute vor allem Dürers Kohlezeichnung seiner Mutter aus ihrem Todesjahr 1514.

Albrecht Dürer: Barbara Dürer (1514); Berlin, Kupferstichkabinett

Die Anlage der Haube auf Dürers Mutterbildnis stimmt relativ genau, so ist festgestellt worden, mit der Kopfbedeckung der Maria Magdalena in Wolgemuts Beweinung Christi von ca. 1485 (Nürnberg, St. Lorenz) überein. Der Figurentyp einer Frau mit länglichem Gesicht, langer gerader Nase, schmaler Oberlippe und dünnen Brauen sowie dem charakteristischen Schleier findet sich darüber hinaus auch auf anderen Gemälden von Dürers Lehrer. Deswegen ist bei dem Porträt Barbara Holpers davon auszugehen, dass sich der junge Dürer hier überwiegend an der malerischen Tradition Nürnbergs und insbesondere an den weiblichen Köpfen der Wolgemut-Werkstatt orientiert hat.

Michael Wolgemut: Beweinung Christi (um 1485); Nürnberg, St. Lorenz
(für die Großansicht einfach anklicken)

Im Gegensatz zur lebensnaheren Florentiner Tafel des Vaters ist das Mutterbildnis in den Gewandpartien im Bereich der Hände offenbar nicht endgültig durchgearbeitet, wie die skizzenhaften, mehrfach korrigierten Pinselzüge nahelegen. Das Bildnis des Vaters erscheint sorgfältiger ausgearbeitet und ist stärker individualisiert, aber wie bei der Mutter wurde auch beim Vater die Kontur der knorrigen Hände mehrfach korrigiert. Dagmar Hirschfelder geht davon aus, dass Dürer zuerst den Vater und dann die Mutter malte. Dies würde erklären, warum das Porträt der Mutter die von der Tradition abweichende heraldisch rechte Seite des Diptychons einnimmt. Möglicherweise plante Dürer ursprünglich kein Doppelbildnis. „Ein männliches Bildnis als Einzelporträt zu konzipieren, war um 1490 ebenso üblich wie die Ausrichtung des Dargestellten zur linken Seite hin“ (Hirschfelder 2012, S. 105). Dagegen wurden bürgerliche Frauen in aller Regel nicht ohne männliches Gegenstück porträtiert. „Hätte Dürer die Mutter zuerst gemalt, hätte er sie sicher nach links gewandt dargestellt, um das männliche Pendant ergänzen zu können“ (Hirschfelder 2012, S. 105).

Den rückseitig „1490“ datierten Vater hat Dürer für sich selbst oder seine Eltern gemalt, bevor er nach Abschluss der Lehrzeit seine Wanderschaft antrat und Nürnberg für vier Jahre verließ. Die beiden Porträts der Eltern sind die ersten gesicherten Gemälde Dürers und damit der Ausgangspunkt für alle weiteren Zuschreibungen im Frühwerk. 

 

Literaturhinweise

Borchert, Till-Holger (Hrsg.): Van Eyck bis Dürer. Altniederländische Meister und die Malerei in Mitteleuropa. Chr. Belser, Stuttgart 2010, S. 419;

Hess, Daniel: Bildnis von Barbara Dürer, geb. Holper. In: Germanisches Nationalmuseum (Hrsg.), Faszination Meisterwerk. Dürer – Rembrandt – Riemenschneider. Verlag des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 2004, S. 208;

Hirschfelder, Dagmar: Dürers frühe Privat- und Auftragsbildnisse zwischen Tradition und Innovation. In: Daniel Hess/Thomas Eser (Hrsg.), Der früher Dürer. Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg 2012, S. 101-116;

Kemperdick, Stephan: „Nach mir selbs kunterfeit“. Bildnisse und Selbstbildnisse. In: Jochen Sander (Hrsg.), Dürer. Kunst – Künstler – Kontext. Städel Museum, Frankfurt am Main 2013, S. 92-100;

Schröder, Klaus Albrecht/Sternath, Maria Luise (Hrsg.): Albrecht Dürer. Zur Ausstellung in der Albertina Wien. Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2003, S. 120-124.


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