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Die Wolfstür der Aachener Pfalzkapelle (für die Großansicht einfach anklicken) |
Die zwischen 796 und 805 errichtete Pfalzkapelle Karls des Großen (747–814), der als oktogonaler Kernbau des Aachener Doms erhalten ist, wurde von den Zeitgenossen als Wunder gerühmt, als neuer Tempel Salomos. Ihre einzigartige Gestalt, die den Höhepunkt der Kirchenbaukunst im fränkischen Reich bildet, ist durch antikes und frühchristliches Erbe geprägt; sie folgt in Architektur und Ausstattung Traditionen aus Rom, Byzanz und Ravenna. Beeindruckend müssen besonders die kostbaren Türen gewesen, sein, die der Zentralbau erhielt: in massiver Bronze gegossene Türflügel für alle fünf Eingänge, für das große Hauptportal im Westen und die vier Nebenportale im Norden und Süden.
Der christliche Kirchenbau hatte aus der Antike die Bronzetür als besonders prächtige Portalausstattung übernommen. Sie blieb wegen des hohen Aufwandes immer ein seltenes Objekt, wenigen Bauten und wenigen Stiftern vorbehalten. Das gilt auch für die Zeit, in der die Türen der Aachener Pfalzkapelle entstanden. Aus dem ganzen Mittelalter ist kein weiterer Kirchenbau bekannt, der so umfassend mit Bronzetüren ausgestattet wurde. Der Auftrag für die Gusswerkstatt ging sogar noch über die Türen hinaus; denn gleichzeitig mit ihnen entstanden auch acht monumentale Bronzegitter, die im Inneren der Pfalzkapelle über den Hauptarkaden eine umlaufende Brüstung bildeten. Türen und Gitter waren einst vergoldet, davon blieb nichts erhalten. Das umfangreiche Ausstattungsprogramm hat die Gusswerkstatt sicherlich über viele Jahre beschäftigt, vermutlich ab 794 bis zur Weihe des Baus um 800. Praktisch unvorbereitet, ohne eine lange künstlerische Entwicklung, aber auch ohne greifbare Nachfolge stellt sich die außerordentliche Leistung dieser ersten Gießhütte nachantiker Zeit dar.
Von den fünf bronzenen Türen der Pfalzkapelle bildet die große für das Hauptportal im Westen, die sogenannte Wolfstür (392,3 cm hoch und 134,5 cm breit), auch heute noch den Haupteingang, allerdings in etwas veränderter Position, innerhalb der barocken Vorhalle. Die vier kleineren Portale (jeweils 223,4 cm hoch und 1,40 cm bzw. 143 cm breit) stellten die Verbindung her zu zwei Anbauten, die im Norden und Süden, symmetrisch einander gegenüberliegend, an die Pfalzkapelle anschlossen. Diese Bauten besaßen zwei Geschosse und waren an den ebenfalls doppelgeschossigen Umgang der Pfalzkapelle so angegliedert, dass zwei gleichartige Portale jeweils in einer Achse übereinander lagen. Die Flügel dieser Türen sind in drei Felder unterteilt, die durch Perlstab- und Blattfries-Verzierungen umrandet wurden. Sie waren mit Löwenkopf-Türziehern ausgestattet und dienten als Außenportale der Pfalzkapelle. Nach dem Abriss der karolingischen Annexbauten wurden sie in die gotischen Nachfolgebauten integriert. Heute existieren noch drei der kleineren Bronzetüren. Das Flügelpaar, das heute als Eingang zur Karlskapelle dient, ist unter den drei überlieferten, in ihrer Form weitgehend übereinstimmenden Türen am besten erhalten.
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Eine der drei noch erhaltenen kleineren Bronzetüren |
Dem Schema der Wolfstür folgend, bestehen die Türflügel der kleineren Portale aus einer umlaufenden Rahmenleiste und vertieften, einzeln gerahmten Feldern. Sie sind in zwei quadratische Felder oben und unten sowie ein hochrechteckiges Mittelfeld aufgeteilt. Die Rahmenprofile greifen wie bei der Wolfstür antike Ornamentfriese auf, weichen aber in der feineren Ausführung und in der Auswahl von dieser ab (doppelter Perlstab außen, Perlstab und Blattfries um die einzelnen Felder). Die kleineren Türen verbindet untereinander auch der einheitliche Typus der Löwenkopfmasken als Hauptschmuck. Die kleineren Türen stehen mit dem Wechsel unterschiedlich großer Kompartimente und den feinen Übergängen zwischen Rahmungen und Flächen dem antiken Formenkanon näher als die Wolfstür. Sie besitzen jedoch mit ihren flachen Löwenköpfen das am stärksten stilisierte, typisch mittelalterliche Detail.
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Löwenköpfe und Zierleisten der Aachener Wolfstür (für die Großansicht einfach anklicken) |
Dem Schema der Wolfstür folgend, bestehen die Türflügel der kleineren Portale aus einer umlaufenden Rahmenleiste und vertieften, einzeln gerahmten Feldern. Sie sind in zwei quadratische Felder oben und unten sowie ein hochrechteckiges Mittelfeld aufgeteilt. Die Rahmenprofile greifen wie bei der Wolfstür antike Ornamentfriese auf, weichen aber in der feineren Ausführung und in der Auswahl von dieser ab (doppelter Perlstab außen, Perlstab und Blattfries um die einzelnen Felder). Die kleineren Türen verbindet untereinander auch der einheitliche Typus der Löwenkopfmasken als Hauptschmuck. Die kleineren Türen stehen mit dem Wechsel unterschiedlich großer Kompartimente und den feinen Übergängen zwischen Rahmungen und Flächen dem antiken Formenkanon näher als die Wolfstür. Sie besitzen jedoch mit ihren flachen Löwenköpfen das am stärksten stilisierte, typisch mittelalterliche Detail.
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Die Bronze-Bärin in der Aachener Domvorhalle (2. Jh. n.Chr.) |
„Unsere Vorstellungskraft muß die Türen in ihre einstige Vergoldung und an ihren ursprünglichen Ort zurückversetzen, muß sie zusammensehen mit den vergoldeten Gittern, den antiken Säulen und karolingischen Mosaiken, um sich die betörende Schönheit des ganzen Ensembles zu vergegenwärtigen, das in karolingischer Sicht ein Abglanz des Himmelsjerusalems darstellte und, tief im fränkischen Land gelegen, auf seine Zeitgenossen wie ein Wunder aus einer anderen Welt gewirkt haben muß“ (Grimme 1985, S.11/12). Erst die massive bronzene Flügeltür des Mainzer Doms (1009 Domweihe) greift das Vorbild der Aachener Portale auf; in einer Inschrift auf dieser Bronzetür weist der Mainzer Erzbischof Willigis (975–1011) darauf hin, dass er als Erster seit Karl dem Großen eine Erztür hat gießen lassen. Sie wird demnächst vorgestellt.
Glossar
Ein Perlstab ist eine schmale Zierleiste, die aus einer Reihe von kleinen halbkugelförmigen Gliedern besteht, die wie die Perlen einer Schnur aufgereiht sind.
Protomen sind plastische Kunstwerke, die den vorderen oder oberen Teil eines Tieres, eines Fabelwesens oder eines Menschen in Frontalansicht darstellen.
Literaturhinweise
Grimme, Ernst Günther: Bronzebildwerke des Mittelalters. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1985, S. 10-12;
Grimme, Ernst Günther: Der Dom zu Aachen. Architektur und Ausstattung. Einhard-Verlag, Aachen 1994, S, 62-71;
Klotz, Heinrich: Geschichte der deutschen Kunst. Erster Band: Mittelalter 600 – 1400. Verlag C.H. Beck, München 1998, S. 79-81;
Mende, Ursula: Die Bronzetüren des Mittelalters 800–1200, Hirmer Verlag, München 1983, S. 21-24;
Reudenbach, Bruno (Hrsg.): Geschichte der bildenden Kunst in Deutschland. Band 1: Karolingische und ottonische Kunst. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2009, S. 220-221.
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