Montag, 10. März 2025

Bronzetüren des Mittelalters (2): der Mainzer Dom

Das Marktportal am Mainzer Dom mit der Willigis-Bronzetür

Im Gegensatz zu den Aachener Bronzeportalen trägt die Mainzer Bronzetür eine Künstlersignatur und gibt auch über ihren Stifter Auskunft: „POSTQUA(m) MAGNU(s) IMP(erator) KAROLUS/SUU(m) ESSE IURI DEDIT NATURAE/WILLIGISUS ARCHIEP(iscopu)S EX METALLI SPECIE/VALVAS EFFECERAT PRIMUS/BERENERUS HUIUS OPERIS ARTIFEX LECTOR/UT P(ro) EO D(eu)M ROGES POSTULAT SUPPLEX“ („Nachdem der große Kaiser Karl sein Leben der Natur zurückgegeben hatte, hat Erzbischof Willigis zuerst aus Metall Türflügel machen lassen. Berenger, der Meister dieses Werkes, bittet inständig, o Leser, dass du für ihn zu Gott betest“). Der Text, in klarer Antiquaschrift in die horizontalen Rahmen gemeißelt, ist so aufgebaut, dass die Personen hierarchisch geordnet genannt werden und der Künstlername im Geist der Demut direkt über der Schwelle steht.

Die Tür ist, dem Aachener Vorbild folgend, als Rahmen mit flacher Füllung gestaltet (370 cm hoch, 107 bzw. 102 cm breit) und wie diese aus einem Stück in verlorener Form gegossen. Jeder der beiden Flügel ist in zwei gleich große Felder unterteilt, die ringsum durch feine Profilierungen, Kehlungen und Plättchenfriese gerahmt werden. Die beiden unteren Felder tragen je einen Türzieher in Form von Löwenprotomen. Die großflächigen Löwenköpfe gehen in ihrer kraftvoll-plastischen Modellierung auf naturnahe spätantike Vorbilder zurück, während der prächtige, bis zu 37 cm breite Mähnenkranz stärker ornamentalisiert ist. „Mit aufgerissenem Maul und mächtigen Fangzähnen wirken sie wesentlich bedrohlicher als ihre Artgenossen in Aachen“ (Reudenbach 2009, S. 221).

Einer der beiden Löwenkopf-Türzieher der Willigis-Bronzetür

Die Tür entstand vor 1009 im Zuge des Neubaus des Mainzer Doms (ca. 978–1009), den Erzbischof Willigis (Amtszeit 975–1011) wohl vor allem mit Blick auf das ihm zugesprochene Privileg der Königskrönung vorangetrieben haben dürfte. Der Dom brannte jedoch am Tag der Weihe ab – Ursache war wahrscheinlich die Festillumination. Erst unter Erzbischof Bardo (Amtszeit 1031–1051) wurde der Bau schließlich vollendet, so dass der Dom 1036 geweiht werden konnte. Wo genau an diesem Neubau die Bronzetür angebracht war, ist nicht bekannt. Heute gehört sie zum Marktportal an der Nordseite des Domes, der Stadt zugewandt. Geht man davon aus, dass die Türflügel zur Domweihe 1009 fertig gewesen sind, lässt sich mutmaßen, dass von Mainz aus die berühmten Hildesheimer Bronzetüren angeregt wurden (siehe meine Post „Bronzene Bildergeschichten“). Sie wurden 1015 von Bischof Bernward (Amtszeit 933–1022), der mit Willigis gut bekannt war, in Auftrag gegeben.

Im 12. Jahrhundert wurde die Mainzer Tür regelrecht zu einer monumentalen Urkunde. Damals ist der umfangreiche Text eingemeißelt worden, der die beiden oberen Türfelder fast vollständig ausfüllt. Erzbischof Adalbert I. (Amtszeit 1111–1137) verlieh zwischen 1119 und 1122 den Bürgern der Stadt Mainz Steuer- und Gerichts-Privilegien, die er im Jahr 1135 erneuerte und bestätigte. Das Datum 1135 wird in der Türinschrift genannt, die Privilegbestätigung wird also der Anlass für ihre Ausführung gewesen sein, als eine dauerhaft in Erz gegossene Form der Veröffentlichung und ein besonderes Rechtsdenkmal. Die Originalurkunde, ausgefertigt auf Pergament, hat die Zeiten tatsächlich nicht überdauert. Inhaltlich bestehen das Privilegien zum einen in der Zusicherung, dass alleiniger Gerichtsstand für Mainzers Bürger die Stadt selbst sei, zum anderen in der Bestimmung, dass Mainzer Bürger Abgaben nur innerhalb der Stadt zu leisten hätten, und zwar ohne zusätzliche Gebühren.

 

Glossar

Protomen sind plastische Kunstwerke, die den vorderen oder oberen Teil eines Tieres, eines Fabelwesens oder eines Menschen in Frontalansicht darstellen.

Verloren nennt man eine Gussform, die nur einmal verwendbar ist und nach dem Guss zerstört werden muss, um das Werkstück zu entformen.

 

Literaturhinweise

Arens, Fritz: Der Dom zu Mainz. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1982, S. 61-63;

Grimme, Ernst Günther: Bronzebildwerke des Mittelalters. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1985, S. 17-18;

Mende, Ursula: Die Bronzetüren des Mittelalters 800–1200, Hirmer Verlag, München 1983, S. 25-27;

Reudenbach, Bruno (Hrsg.): Geschichte der bildenden Kunst in Deutschland. Band 1: Karolingische und ottonische Kunst. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2009, S. 221.


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